Das Fragen weiter tragen -

Ein Blick auf die Arbeiten von Christoph Beer aus den Jahren 2010 und 2011

Text von Christoph Poche im November 2011

 

 

Der Malprozess

In aller erster Linie erzählen die Bilder von Christoph Beer von den komplexen Prozessen

ihrer  eigenen  Entstehung.  Denn  es  handelt  sich  in  der  Regel  um  Acryl-Malerei,  die  sehr

malerisch  aufgefasst  ist  und  mit  Effekten  arbeitet,  die  man  üblicherweise  mit  dem

Aquarellieren verbindet - viele Tupfen, Farbverläufe, Mischungen, sich auflösende Grenzen -

der  Malvorgang  verläuft  offensichtlich  weitgehend  intuitiv,  über  zahlreiche

Zwischenstationen hinweg, mit vielen erkennbaren Übermalungen und Umarbeitungen. Dem

Zufall  und  der  Eigendynamik  des  verwendeten  Farbmaterials  wird  viel  Raum  gelassen,

sodass sich hier und dort Zonen von einem malerischen Eigen-Reiz ergeben, wie er sonst nur

in abstrakten Ansätzen begegnet - und das gesamte Farbspektrum ist vorhanden.

 

Das Figürliche

Dennoch handelt es sich eindeutig um figürliche Malerei, und die Sujets der Bilder erzählen

auch - jedoch in einer Sprache, die der Intellekt nur schwerlich fassen kann, die das rationale

Denken  vielleicht  sogar  zu  verunsichern  und  zu  irritieren  vermag.  Denn  diese  Gestalten

tauchen auf aus der beweglichen Malerei, als würden  sie antworten auf die eigentümlichen

Angebote  der  Farbdynamik,  und wo  sie  feste Konturen  annehmen, werfen  sie  gleichwohl

Rätsel auf durch den Zusammenhang im Bild. Sie schwingen in einer Art Tachismus, der sie

durchdringt  und  umfasst,  doch  eindeutige Relationen  nicht  aufkommen  lässt. Vieles  bleibt

Andeutung und in einer Art Spiel entsteht Sinn, der sich erst im Unbewussten des Betrachters

entfaltet, in den Ebenen hinter dem Verstand.

 

Die Komposition

Dabei  erscheinen  die Kompositionen  durchaus  auf  das Wesentliche  reduziert  -  sie  ergeben

sich letztlich stets aus einer überschaubaren Anzahl von identifizierbaren Bildelementen. Da

die Bildgefüge  jedoch Eigentümlichkeiten bewahren, die den Erwartungen an ausgewogene

Kompositionsweisen eklatant widersprechen, und Raumsituationen vieldeutig bleiben bis hin

zur Paradoxie,  verweigern  die Bilder  in  formaler Hinsicht  dann  doch wieder  eine Antwort

darauf, was  es denn  sei, dieses Wesentliche. Es  ist,  als verfolge Christoph Beer bei  seinen

Kompositionen eine bewusste Strategie des Verunklärens, als verwische er Spuren, als  lege

er stets Umdeutungen nahe für jeden ersten Anschein, der sich ergeben mag.

 

Die Ikonographie

Statt  kompositorischer  Eindeutigkeit  bietet  Beer  in  seinen  Bildern,  wie  in  einem  Akt  der

Verführung, Gestalten an, die inhaltlich teils traditionell-religiöser Ikonographie entnommen

sind, teils aus den Bilderwelten der modernen Medienkultur stammen, wie dem Comic-Strip.

Der  kurze  Moment  des  Wiedererkennens,  den  diese  Figuren  erlauben,  verliert  seine

beruhigende Wirkung  jedoch  sogleich,  sobald  sich  die  Frage  nach  dem  "Warum?"  erhebt:

Jedem  Deutungsversuch  steht  das  strukturelle  Beharren  der  Bilder  auf  Vieldeutigkeit

entgegen. Das geht  so weit, dass man  sich entscheiden kann, wer wen auf den Bildern wie

anblickt - bis hin zu dem Gefühl, es seien die Bilder selber, die auf den Betrachter schauen,

genauso wie er auf sie.

 

 

Ambiguität als Prinzip

Die Arbeiten von Christoph Beer sind  jede einzelne eine Welt für sich, stets komplexer, als

sie auf den ersten Blick erscheinen. Sie gehen aus von amorphen Farbflüssen innerhalb eines

suchenden  Malprozesses,  der  sich  verdichtet  zu  Figuren  und  räumlichen  Situationen,  in

denen  bekanntes,  ikonographisches  Bildmaterial  zurückversetzt wird  in  einen  Zustand  des

Fraglichen und der Ungewissheit. Dabei scheuen sie sich nicht, die Grenze zur Metaphysik

und zum Numinosen zu berühren - wenn auch nur als Angebot - und bleiben doch  in  ihrem

Verwoben-Sein  in  inhaltliche und  formale Ambiguitäten  eine Metapher  für die Freiheit  im

Absurden und für das Geheimnisvolle hinter dem Offensichtlichen jeglicher Existenz.

 

 

Fazit

Bei der Betrachtung der obigen Arbeiten wurde vor allem auf das Erstaunliche in der Malerei

von  Christoph  Beer  Wert  gelegt.  Denn  hinter  all  den  inszenierten  Ungewissheiten  und

vieldeutigen Erzählungen vibriert  spürbar die Frage des Künstlers nach der Wahrheit, ganz

generell. Und wenn  bei  der  Suche  nach Antworten  diese  Bilder  sich  zeigen,  dann mögen

Bilder  und  Künstler  uns  dazu  einladen,  im  Angesicht  der  Tiefe  der  Fragen  eine  Art  von

humorvoller Offenheit und das Ausbleiben von Eindeutigkeit auf Dauer wohl zu ertragen.

Oder einfach zu staunen...

 

Christoph  Poche

 

 

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Anmerkungen zu einigen ausgewählten Arbeiten von Christoph Beer